Vorsicht im Abseits! Beim Fahren im freien Gelände ist hohe Eigenverantwortung angesagt

Dunkle Rastalocken, breite Bretter unter den Füßen, coole Skiklamotten - Florian Hellberg ist ein lässiger Typ. Einer, der auf den ersten Blick aussieht, als lebt und liebt er seine Freiheit. Macht er auch. Er ist zum Beispiel gerne und oft im unberührten Weiß unterwegs. Im Gegensatz zu vielen anderen aber, die es zum Freeriden hinaus abseits der Pisten zieht, weiß er ganz genau, was er tut oder dort besser nicht tun sollte. Der 31jährige Allgäuer hat technische Physik studiert, ist ausgebildeter Bergführer und arbeitet in der Sicherheitsforschung des Deutschen Alpenvereins. 

Foto: Michael Neumann
„Abseits der präparierten und oft überfüllten Pisten seine eigenen Wege zu gehen, seine Spuren im jungfräulichen Schnee zu hinterlassen, hat schon eine ganz besondere Faszination“, sagt er. Eine, die immer mehr Skifahrer reizt. Freeriden boomt. Doch der Trendsport birgt auch Risiken, derer sich viele, vor allem auch viele Jugendliche, nicht bewusst sind. Der Klassiker: Sie sehen Leute abseits fahren und fahren einfach hinterher, ohne sich groß Gedanken über alpine Gefahren wie Lawinen oder vielleicht zu steile Felsflanken oder Rinnen zu machen. Oft haben sie auch keine Sicherheitsausrüstung dabei, zu der zumindest ein Lawinenverschütteten-Suchgerät (LVS-Gerät), eine Schaufel und eine Sonde gehört.

Der Deutsche Alpenverein tut viel dafür, die Skifahrer über die Risiken am Berg aufzuklären. Vorbildlich: das DAV/JDAV-Jugendschulprogramm Check Your Risk. „Am meisten müssen wir an der Risikokultur arbeiten und den Leuten bewusst machen, dass sie, sobald sie sich abseits gesicherter Pisten bewegen, eine Eigenverantwortung haben. Das Erkennen dieser Verantwortung und dann das richtige Umgehen damit ist eigentlich die größte Aufgabe in der Gefahrenprävention beim Freeriden“, erklärt Florian.

Wen es mit Ski oder Board hinauszieht ins Gelände, der sollte folglich nicht nur richtig ausgerüstet sein und mit der Sicherheitsausrüstung auch umgehen können, sondern sich vorher unbedingt auch Gedanken in Sachen Risikomanagement machen. Dazu gehört das Lesen und richtige Interpretieren des regionalen Lawinenlageberichts am Morgen. Der ist telefonisch oder online abrufbar und hängt in vielen Skigebieten und Hütten aus. „Idealerweise gehe ich dann mit einer fiktiven ‚Gefahrenbrille‘ hinaus und schaue, welche Risiken lauern genau vor Ort. Da klemmt es meiner Meinung nach am meisten, dass die Leute draußen die Hänge nicht richtig beurteilen können“, erklärt Florian.

Snow Card im Einsatz
Die wichtigsten Grundregeln über alpine Gefahren und das richtige Verhalten kann man sich sehr gut in Lawinenkursen aneignen. Doch die sensible Gefahrenwahrnehmung am Hang ist eine sehr spezifische Herausforderung, die immer wieder geschult werden und bei der man auch Nein-Sagen lernen sollte. „Auch, wenn ein Hang noch so sicher scheint, sollte man trotzdem immer hinterfragen, bevor man in den Hang einfährt: Hab’ ich oder ein anderer in der Gruppe irgendwie ein schlechtes Gefühl? Ist wer überfordert? Sollten wir nicht lieber verzichten und den Hang umfahren? Man hat im Umgang mit Lawinen leider wenig Lernchancen und ein Restrisiko bleibt immer”, sagt Florian und zeigt mit einem gezielten Tritt, der sofort ein kleines Schneebrett auslöst, was der Lawinenlagebericht am Morgen mit störanfälligen Triebschneeansammlungen gemeint hat. Auf einem Hang, den die meisten der Gruppe als sicher eingeschätzt hätten. Petra Rapp


Zehn Regeln zum Freeriden

Das Thema Sicherheit und Risikomanagement beim Freeriden ist extrem komplex. Hier die zehn wichtigsten Regeln dazu der DAV-Sicherheitsforschung:

1. Lawinenlagebericht lesen
Informieren Sie sich über die aktuelle Gefahrenstufe, bevor Sie ins ungesicherte Gelände fahren. Achten Sie besonders auf die Angaben zu den Gefahrenstellen (WO ist es heute gefährlich?) und zu den Gefahrenquellen (WAS ist heute die Hauptgefahr?).

2. Immer mit LVS-Notallausrüstung
Lawinenverschütteten-Suchgerät (LVS-Gerät), Sonde und Schaufel sollte jeder einzelne dabei haben. Erste-Hilfe-Paket, Biwaksack und Handy gehören darüber hinaus zum Standard. Ein Airbag-System erhöht deine Überlebenschancen.

3. Regelmäßiges LVS-Training
Training kann Leben retten! Je öfter Sie mit Ihrem LVS-Gerät üben, umso schneller finden Sie im Notfall Verschüttete.

4. Nie allein
Fahren Sie immer mindestens zu zweit. Schon kleine Missgeschicke und Unfälle können alleine schwerwiegende Konsequenzen haben.

5. Übersicht verschaffen
Schauen Sie sich das Gelände oberhalb und unterhalb genau an, bevor sie losfahren. Seien Sie vorsichtig, wenn sich andere Freerider über oder unter Ihnen befinden!

6. Nie alle auf einmal
Fahren Sie nacheinander in einen Hang. Die Abstände zwischen Ihnen sollten mindestens 50 Meter betragen. Das gilt auch für Querfahrten. Im Aufstieg mindestens zehn Meter Abstand halten!

7. Steilhänge einzeln fahren
Passagen mit mehr als 35 Grad Neigung sollten Sie einzeln befahren. Beobachten Sie sich gegenseitig, um schnell reagieren zu können.

8. Sichere Sammelpunkte
Teilen Sie Ihre Abfahrt in Etappen ein. Sammeln Sie sich an lawinensicheren Stellen. Besprechen Sie dort die nächste Etappe.

9. Extreme Vorsicht bei schlechter Sicht

Bei schlechter Sicht kann die einfachste Abfahrt zum großen Problem werden, auch für Experten. Extreme Vorsicht ist dann geboten.

10. Beachte Grenzen
Halten Sie sich an die lokalen Naturschutzregelungen. Respekt gegenüber der Natur gehört zum Freeriden.


Mehr zum Thema:
Viele weitere Sicherheitstipps und Infos unter www.alpenverein.de/Bergsport/Sicherheit/ unter der Rubrik „Schneesport und Lawinengefahr“ oder unter oder www.check-your-risk.de. Alle Lawinenwarndienste der Alpenregionen mit Abruftelefonnummern im Überblick unter www.alpenverein.de/DAV-Services/Lawinen-Lage/ oder unter www.powderguide.com.


Der Artikel ist auch auf der TZ Draußen-Seite erschienen: pdf zum Download